Paul Scheerbart

Pressetext M + R Fricke Berlin 2022

Literarisches und Dokumentarisches von Paul Scheerbart.
Erstausgaben, Manuskripte, Zeichnungen, Grafik

Ausstellung 20. Mai - 8. Juli 2022


Gezeigt wird auch der Film “Paul Scheerbart in Berlin”, der im Jahr 1970 für den Sender Freies Berlin (SFB) von Mechthild Rausch und Jan Franksen (Regie) produziert wurde.

„wenn ich nun selber etwas von dem weiten Reiche der Vermutungen, das das Frühere meines Lebens umspannt, sagen soll, so muß ich zunächst erklären, daß ich den wichtigen Teil meines Vorlebens wahrlich nicht als einen irdischen auffasse; mir stehen die Wesen, die tausend Beine haben, näher als die mit zweien – und all das Andre, was man sonst als fabelhaft bezeichnet, wird mir nicht nur als Seiendes, auch als ein Gewesenes und Erlebtes immer deutlicher...“ (Paul Scheerbart, Autobiographie, 1904)*

Scheerbart war ein Zeitgenosse Jules Vernes. Man kann jedoch feststellen, dass Vernes technologische Phantasien nicht mit den romantischen Visionen Scheerbarts vergleichbar sind. Im weiteren Verlauf der 1904 von ihm selbst verfassten Biographie erläutert Scheerbart seine Philosophie und Ästhetik mit folgendem Wortlaut: “Andererseits gestehe ich, daß ich mich vom irdischen Leben nicht so abgesondert fühle, wie man wohl annehmen möchte – ans achtzehnte Jahrhundert der Bewohner Europas knüpfen mich doch stärkere Fäden: Swift, Rabelais, Heinrich Zschokke und der Graf Zinzendorf. Diese vier Pfaffennaturen standen mir sehr nahe. Künstlerisch dürften meine Hauptwurzeln in der romantischen Zeit stecken – besonders in Clemens Brentano.“

Technisch-wissenschaftliche oder politisch-gesellschaftliche Aspekte spielen eine eher untergeordnete Rolle. Scheerbarts Phantastik ist auch geprägt von seiner Auseinandersetzung mit der orientalischen Philosophie. Der Tod war für ihn nicht das Ende: Auflösung, Umwandlung und Vereinigung mit einem höheren geistigem Dasein prägen viele seiner Werke. Seine Zukunfts- und Jenseitsentwürfe tauchen nicht erst in seinem epochalem Werk „Glasarchitektur“ auf. In seinem Asteroidenroman „Lesabendio“ von 1913, beschreibt er den Bau einer zehn Meilen hohen Turmkonstruktion, und in seinem Damenroman „Das graue Tuch und zehn Prozent weiß“ von 1914 überzieht er die ganze Welt mit seiner visionären „Glasarchitektur“. Im selben Jahr erscheint auch die „Glasarchitektur.“ Bruno Taut, den er kurz vorher kennenlernte, war von Scheerbarts Glasvisionen begeistert und widmete ihm auf der Werkbundausstellung 1914 den deutschen Pavillon, das Glashaus. Für den Fries des Glashauses dichtete Scheerbart insgesamt 16 Sinnsprüche für das Bauen mit Glas, von denen sechs als Inschriften am Glashaus angebracht wurden. Für Scheerbart war dies das gebaute Manifest seiner Glasarchitektur.

Die Ausstellung zeigt fast das gesamte Werk mit besonderer Fokussierung auf seine Theorien und Phantasien zur Glasarchitektur und seine fruchtbare Zusammenarbeit und Freundschaft mit Bruno Taut. Insbesondere Scheerbarts Visionen zur Glasarchitektur bewirkten, dass er nicht aus dem kulturellen Gedächtnis verschwand und seine Werke neu aufgelegt wurden. Einem breiten Publikum ist er dennoch nicht erschlossen worden. Diejenigen aber, die von seinem Schaffen so begeistert sind, haben dazu beigetragen, dass „olle Paulemann“ nicht vergessen wurde.

(Dank an Akademie der Künste, Berlin, Helmut Klewan, Egidio Marzona, Mechthild Rausch, Gerhard Rühm und weitere, die nicht genannt werden möchten.)

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte die Galerie M + R Fricke.

Press release M + R Fricke Berlin 2020

PAUL SCHEERBART

Exhibition May 20th - July 8th, 2022

“...then if I had to say something about the vast expanse of suppositions that envelops the earlier years of my life, I’d first have to explain that I truly don’t view the greater part of my past life as an earthly being; such beings as have a thousand legs are closer to me than those with two— and everything else one would deem fabulous is becoming clearer and clearer to me, not only as that which is, but also as that which has been and has been experienced...” (Paul Scheerbart, Autobiography, 1904)*

Scheerbart was a contemporary of Jules Verne. Comparing Scheerbart’s work with that of Verne’s, one finds that the technological fantasies of the latter are not in fact comparable to Scheerbart’s romantic visions. As the biography he himself penned in 1904 progresses, Scheerbart explains his philosophy and aesthetics in the following words:
“On the other hand, I confess to not feeling quite apart from earthly life, as one might otherwise be inclined to assume—rather strong threads do link me to the eighteenth century inhabitants of Europe: Swift, Rabelais, Heinrich Zschokke, and Graf Zinzendorf. These four unworldly spirits were very close to me. Artistically, my main roots might lie in the Romantic era—particularly in Clemens Brentano.”

Technoscientific and sociopolitical aspects play a more subordinate role. Scheerbart’s fantasy is also informed by his engagement with Near Eastern philosophy. Death wasn’t the end for him: transcendence, transformation, and unification with a higher spiritual being suffuse many of his works. His models of the future and the beyond didn’t first appear in his epochal work “Glasarchitektur” (Glass Architecture). In his 1913 asteroid novel “Lesabendio,” he describes the construction of a ten-mile tall tower, and in his 1914 women’s novel “The Gray Cloth,” he blankets the whole world with his visionary “glass architecture.” That was also the same year “Glasarchitektur” came out. Bruno Taut, whom Scheerbart had met shortly prior, was inspired by his glass visions and dedicated “Das Glashaus,” the German pavilion at the 1914 Werkbund Exhibition, to him. For the building’s decorative frieze, Scheerbart wrote a total of 16 poetic aphorisms on glass construction, six of which were inscribed on the structure. For Scheerbart, this was the built manifesto of his glass architecture.

This exhibition shows nearly the entire body of work, with a particular focus on his theories and fantasies on glass architecture and his productive collaboration and friendship with Bruno Taut. Scheerbart’s visions of glass architecture in particular meant he would never vanish from cultural memory, and his works would be reprinted. He has not, however, been opened to a broader public. Though those so impressed by his work have contributed to keeping “olle Paulemanns” (nickname) memory alive.

The film "Paul Scheerbart in Berlin" will also be shown, which was produced in 1970 for the Sender Freies Berlin (SFB) by Mechthild Rausch and Jan Franksen (director).

(We’d like to extend our gratitude to Akademie der Künste Berlin, Helmut Klewan, Egidio Marzona, Mechthild Rausch, Gerhard Rühm and those who prefer to go unnamed.)

For further information please contact the gallery M + R Fricke.

nach oben